Das Picasso Museum in Barcelona

Das Picasso Museum in Barcelona hat mir bereits bei meinem ersten Besuch vor vielen Jahren gefallen. Jetzt war ich wieder da. Ich finde, es stellt die Entwicklung von Picasso als Künstler auf sehr strukturierte und übersichtliche Weise dar. Ich lese immer wieder, dass Besucher enttäuscht sind, weil sie sich mehr Werke erwartet hätten. Aber genau das ist es, was ich an dieser Sammlung so gut finde. Sie ist nicht überfrachtet und stellt daher die einzelnen Phasen kompakt anhand von wichtigen Beispielen dar. Die Zusammenhänge sind erkennbar. Man sieht die Entwicklung. Und die Anzahl der Werke für mich gerade richtig. Wären es mehr, würde ich irgendwann nichts mehr aufnehmen können. So aber kann ich vor wirklich jedem Bild etwas verweilen, sie vergleichen, manchmal sogar einen Raum zurückgehen, mir etwas ein zweites Mal ansehen – ohne, dass ich so von Eindrücken überfrachtet bin, dass es in meinem Kopf am Ende aussieht wie auf Picassos Leinwand…

Bei meinem Besuch hatte ich außerdem wieder einmal das Glück, genau zur Mittagszeit anzukommen und konnte auf diese Weise ein fast leeres Museum genießen mit freiem Blick auf alle Bilder und Ausstellungsstücke. Ich bin an und für sich etwas enttäuscht wegen der strengen „No photos“ Politik des Museums und frage mich, ob das noch zeitgemäß ist. Allerdings muß ich zugeben, dass ich das Fotoverbot dann doch aus zwei Gründen sogar ein kleines bisschen genossen habe. Zum einen fühle ich mich manchmal gestört von der ganzen Filmerei und Fotoschießerei. Nicht nur, weil viele Smartphonefotografen nur auf ihre Selfies fokussiert sind und gar nicht mehr darauf achten, ob sie sich gerade mitten vor jemand anderen stellen. Auch mag ich den Gedanken nicht, dass ich auf so vielen Bildern, die wer weiß wo landen, ohne mein Wissen abgelichtet werde. Ich z.b. achte immer sehr darauf, dass andere Menschen – insbesondere Kinder – nicht auf meinen Fotos zu sehen sind bzw. wenn dann nur der Rücken und auf keinen Fall ihre Gesichter. Der zweite Grund, warum ich es sehr entspannt fand, nicht fotografieren zu dürfen, ist der, dass ich festgestellt habe, dass ich mehr in den Bildern versinke. Ich bin mehr auf die Werke fokussiert und weniger darauf, wie ich diese Ausstellung so fotografieren soll, dass ich sie hinterher z.b. für eine Notiz auf dieser Seite, verwenden kann.

Sei’s wie’s sei, ich bin also ohne zu fotografieren durch die Sammlung geschlendert und habe mir im Anschluss noch die Fotoausstellung  „LUCIEN CLERGUE: TWENTY-SEVEN MEETINGS WITH PICASSO“ angesehen. Die Fotografien von Lucien Clergu (Arles, 1934 – Nîmes, 2014), aufgenommen bei 27 Begegnungen zwischen 1953 und 1997, zeigen Szenen aus Picassos Leben durch die Kameralinse seines Freundes. Kennengelernt haben sich die beiden während eines Stierkampfes in Arles, bei dem Clergue die Gelegenheit nutzte, ein Foto von Picasso zumachen und ihm andere Schnappschüsse zu zeigen. Zwei Jahre später treffen sie sich wieder und es beginnt eine enge Freundschaft, die bis zum Tod Picassos andauern sollte.

Clergue fängt auf seinen Fotografien die Kleinigkeiten des Alltags Picassos ein. Konzerte, auf denen Piccasso mittanzt oder rührende Momente im Spiel mit seinen Enkelkindern. Man sieht ihn viel lachen, er ist interessiert an anderen Menschen: Ein geselliger Mensch, der offensichtlich auch sehr gerne und viel rauchte. Viele der Bilder zeigen ihn mit einer Zigarette in der Hand. Auf diesen Bildern kommt mir Picasso als Mensch näher. Ich sehe nicht mehr den talentierten weltbekannten Maler, das Genie, den Künstler. Ich sehe einen Mann mit Kindern, mit Enkeln, einen Freund, einen Genießer, einen Musikliebhaber. Ein Mensch, der dem Leben zugewandt ist. Seine Gemälde gewinnen durch die Fotos für mich eine andere, neue Qualität. Sie sind nicht mehr einfach Meisterwerke. Sie sind Bilder, die ein Mann gemalt hat, der trotz seines Genies einfach nur ein Mensch war. Mit Stärken und Schwächen, mit Vorlieben und Abneigungen. Plötzlich suche ich ihn den Bildern nicht mehr nur die Technik, die Linien, den Bruch, die Phase. Ich suche und finde den Menschen in diesen Bildern, stelle mir vor, wie er sie gemalt hat. Wie er dabei eine Zigarette rauchte oder eine Pause machte, um mit seiner Familie zu essen.

Das Museu Picasso in Barcelona kaufte die Fotografien, fast 600 Schwarz-Weiß-Vintage-Gelatine-Silber-Drucke, 2016. Diese Ausstellung enthält fast alle erhaltenen Fotografien und stellt sie als Chronik dar. Sie sind in meinen Augen ein riesiger Gewinn für die Sammlung. Wieder zurück im Hotel suche ich auf der Website des Museums, ob es wenigstens ein paar wenige Fotos gibt, die ich für diese Notiz verwenden darf. Leider habe ich keine gefunden. Dafür bietet die Seite einige Informationen zu den Bildern. Von 39 Highlights gibt es hier detaillierte Beschreibungen. 

Gelungen finde ich die TimelineDiese interaktive Zeitleiste zeigt biographische Informationen über Pablo Picasso sowie die hervorgehobenen Kunstwerke, die im Museu Picasso zu sehen sind.  Sie stellen die Arbeiten in den historisch-künstlerischen Kontext, den ich auf diese Weise gut nachvollziehen kann.  Dort entdecke ich auch den Hinweis, dass Picasso 1937 Paul Klee besuchte.  Die Verbindungen bestimmter Künstler finde ich persönlich immer besonders spannend. Es macht mir Spaß, in den Werken nach wichtigen Zusammentreffen oder gemeinsamen Schaffensphasen nach der Technik oder der Handschrift des einen Künstlers in den Werken des jeweils anderen Künstlers zu forschen.

Was ich im Museu Picasso nicht finde sind Arbeiten aus dem Jahr 1932, dem Jahr, dem das Tate Modern in London derzeit eine ganze Ausstellung widmet. Ich weiß natürlich noch nicht, ob das daran liegt, dass diese genau an die Ausstellung ausgeliehen sind oder das Museum aus diesen Jahren keine Werke in ihrer Sammlung hat. Das werde ich versuchen herauszufinden, wenn ich mir die Ausstellung THE EY EXHIBITION PICASSO 1932 – LOVE, FAME, TRAGEDY ansehe.