Concrete Pitch von Eddie Peake

Da ich immer in Bermondsay wohne, wenn ich in London bin, liegt der „White Cube“ auf meinem direkten Weg (vgl. auch Überall ist Kunst). Ich schaue also immer auf einen Sprung rein, denn die ausgestellten Künstler dort sind meist ziemlich abgefahren. Bei meinem letzten Besuch wurden neben He Xiangyu und Andreas Gursky auch Arbeiten von Eddie Peake ausgestellt.

Der Titel  der Ausstellung, „Concrete Pitch“, wurde inspiriert durch einen bestimmten Bereich im Finsbury Park in London, wo Peake aufgewachsen ist. Dieser wurde als Spielplatz, als Sportplatz und als Treffpunkt für Menschen jeden Alters, jeder Klasse und Ethnizität als Ort der Begegnung genutzt.

Mit den Werken dieser Ausstellung verknüpft Peake neben autobiographischen Elementen und einer Untersuchung der eigenen Identität auch allgemeinere Themen des Begehrens, des Körpers, der Architektur und der städtischen Landschaft. 

Für Peake kann die Galerie auch als Bühne betrachtet werden; als einen Ort, um Dramen des Alltags zu inszenieren und das reiche assoziative Porträt des Viertels, in dem er als Kind aufwuchs, als Mikrokosmos der städtischen, multikulturellen Gesellschaft darzustellen.

Man kann den Künstler vor Ort erleben, wie er sich zwischen verschiedenen konstruierten Räumen bewegt, wie zum Beispiel ein privates Büro oder einen dreieckigen wie eine Zelle strukturierten Raum, der nur durch eine hohe Leiter zugänglich ist. Zwar kann ich Peake nirgendwo entdecken, aber die Leiter steht dort und bildet ein Stillleben. In dem Raum befindet sich auch eine Art begehbarer Schaukasten, in dem DJs von Kool London live eine Online-Radiosendung ausstrahlen. Sie spielen Oldschool Jungle und Drum & Bass und liefern damit gewissermaßen den Soundtrack zu Peakes Jugendzeit.

„Es gibt oft eine Art Suche nach Identität in meiner Arbeit – und das, glaube ich, ist das erschütternd Schöne daran, ein Künstler zu sein. Ihnen wird der Luxus geboten, einen Raum für sich selbst als Individuum in der Welt zu schaffen.“

Durch den Raum schlängelt sich die Sound-Installation Stroud Green Road, die aus einer Aneinanderreihung von Stahl-Servierwagen besteht. Sie schlängelt sich auf die gleiche Weise wie die Straße, die durch Peakes Viertel verläuft. Darauf befinden sich Lautsprecher in unterschiedlichen Größen, die mit tiefen Bässen durch den Raum dröhnen, man kann die Vibrationen spüren. Ich sehe kleine Skulpturen und Neonröhren und auf manchen Tabletts scheint etwas zerschmolzen zu sein und bildet eine farbige Struktur, wie man sie manchmal unter einem Mikroskop sehen kann.  Peake komponiert hier mit Aufnahmen aus der Umgebung eine abstrakte Klanglandschaft, die wie ein endloses Brummen in Schleife abläuft und auf mich irgendwie beklemmend wirkt. Ganz im Gegensatz dazu inszeniert er den gesamten Raum in ein weiches rosa Licht, welches im Bereich der Leiter in ein warmes sattes Orange überzugehen scheint.

Wohin ich auch schaue, ich entdecke immer wieder Neues. An den Wänden hängen riesige Bilder. Sich überlappende aufgesprühte Rechtecke, ein negativer Schriftzug in einer roten Farbfläche auf einer spiegelnden Oberfläche, zwischen den Buchstaben sehe ich mich selbst. „Performing you“ heißt es und die meisten Besucher machen Selfies von ihrem Spiegelbild. Auch ich – und werde dadurch Teil des Kunstwerkes. 

Ausschnitt von Stroud Green Road 2018
Ausschnitt von Stroud Green Road 2018

Obwohl ich keine zehn Minuten lang in diesem Raum bin, kommt es mir vor, als sei ich schon vor Stunden in eine andere Welt abgetaucht. Das liegt nicht etwa daran, dass mich die Ausstellung gelangweilt hätte, im Gegenteil. Es gelingt Peake, seine Reise in die Vergangenheit mit einer solchen Fülle von Elementen und Kunstwerken, Klängen, Bildern und Skulpturen zum Leben zu erwecken, dass ich nach nur zehn Minuten mit vielen neuen Eindrücken den Heimweg antrete.

Big Trouble in Little China 2018 Spray paint on canvas
Big Trouble in Little China 2018 Spray paint on canvas
Performing You 2017
Performing You 2017
We To The Ramp Go For Relinquish Unearned Privileges And Powers 2017
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